Medizinische Forschung und Weiterentwicklung sorgt dafür, dass sich Handlungsempfehlungen und Leitlinien im Laufe der Zeit verändern. Da ein leitlininienorientiertes und evidenzbasiertes Handeln größtmöglichen Nutzen und Sicherheit für den Patienten und auch den Anwender garantiert sollte dies der favorisierte Weg in der Medizin sein.

Nachfolgend finden Sie einige Beispiel bei denen es immer wieder zu Diskussionen im Alltag kommt, sodass wir die zu Grunde liegenden wissenschaftlichen Grundlagen gerne kurz darstellen möchten.

Nitroligual-Spray als Antihypertensiva

Jeder von Ihnen kennt die klassischen „roten“ Flaschen mit der Aufschrift Nitro. Das Medikament Nitroligual wird in vielen Hausarztpraxen gerne als Notfallmedikament bei Hypertensiven Krisen eingesetzt. Ist es dafür überhaupt freigegeben oder ist es ein Offlabel-Use?  

Wirkweise:

Glyceroltrinitrat zählt zu den Nitraten und wird erst im Organismus in die eigentliche Wirksubstanz (Stickstoffmonoxid) überführt. Stickstoffmonoxid führt über eine Reihe von Prozessen zu einer Erniedrigung des Spannungszustands der glatten Gefäßmuskulatur (bei Venen stärker als bei Arterien). Dadurch kommt es zu einer Gefäßerweiterung und Blutdrucksenkung. Der Druck auf das Herz nimmt ab, es wird entlastet und verbraucht weniger Sauerstoff.

Anwendungsgebiet:

  • Akutbehandlung von Brustenge (Angina pectoris)
  • Vorbeugung von Brustenge (Angina pectoris), unmittelbar vor körperlichen Belastungen oder Situationen, die Angina pectoris-Anfälle auslösen können
  • Akuter Herzinfarkt

Wenn wir uns einmal die Wirkweise und das Anwendungsgebiet des Nitroligualspray anschauen (s.o.), wird erkennbar, dass der Einsatz als Antihypertensiva nicht freigegeben ist und demzufolge ein Offlabel-Use darstellt. Der Hersteller (siehe Beipackzettel), hat das Anwendungsgebiet eindeutig definiert (Angina pectoris und Akuter Herzinfarkt). Die Antihypertensive Therapie ist dort nicht erwähnt.

Quellen:


Anwendung des Larynxtubus als Alternativer Atemweg

Der Larynxtubus ist seit mehreren Jahren fester Bestandteil im präklinischen Notfallmanagement geworden. Er ermöglicht es den Atemweg relativ zuverlässig zu sichern, so dass es auch für nicht-ärztliches Personal möglich ist, im Rahmen der Reanimation einen Aspirationsschutz sicherzustellen und eine bessere Oxygenierung des Patienten zu ermöglichen, ohne die sofortige endotracheale Intubation (bevor es den Notfallsanitäter gab, Notkompetenz der Rettungsassistenten). Es ist jedoch unumstritten, dass die endotracheale Intubation weiterhin Goldstandard ist und der einzige, sichere Aspirationsschutz.

Wir haben alle immer und immer wieder mit dem Larynxtubus trainiert, im letzten Notfalltraining, im letzten Reanimationsrefresher oder in der rettungsdienstlichen Fortbildung. Dort wurde der Larynxtubus immer als „anwenderfreundlich“ und „idiotensicher“ dargestellt, nach erfolgreicher Einweisung und dem Training.

Die aktuelle S 1- Leitlinie zum Prähospitalen Atemwegsmanagement hat jedoch noch ein paar tiefergehende Informationen zu unserem „geliebten“ Larynxtubus, die so noch nicht bekannt sind oder in der Produkteinweisung nicht vermittelt wurden.

Auszug aus der S1-Leitlinie:  (…) Ein extraglottischer Atemweg (EGA) der zweiten Generation kann gewählt werden, wenn keine ausreichende Erfolgsaussicht für die ETI besteht und mindestens 45 EGA-Anwendungen am Patienten unter Anleitung dokumentiert und in der Wiederholung drei EGA-Anwendungen pro Jahr durchgeführt wurden(…))“.

Komplikationen:

„(…) Häufig berichtet wurden Zungenschwellungen, endotracheale Fehllagen, Malpositionierungen und Mageninsufflationen, die einerseits bauartbedingt begünstigt, andererseits aber auch durch Anwenderfehler verursacht sein können. Einige der berichteten Komplikationen könnten mit einem zu hohen Cuffdruck assoziiert sein. Daher soll der Cuffdruck gemessen werden und 60 cmH2O nicht überschreiten (…)“.

Ergänzend zum Hinweis bzw. dem Verweis aus der S1-Leitlinie heißt es für uns als Anwender letztlich, dass die einfache Einlage und Blockung mit der beigelieferten Blockerspritze zunächst so durchgeführt werden kann, jedoch sollte nach Einlage des LT ein Cuffdruckmesser eingesetzt werden, so dass der optimale Cuffdruck (60 cmH2O) nicht überschritten wird, um die genannten Komplikationen möglichst zu minimieren. Der Hersteller VBM hat dies ebenfalls in seiner Produktinformation bzw. Anwenderinformation mitgeteilt bzw. aufgenommen.

Quellen:


Absaugung Neugeborene

In der Vergangenheit wurde alle Neugeborenen zunächst abgesaugt, unabhängig davon ob nötig oder nicht nötig. Die aktuelle S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin positioniert sich bezüglich der Absaugung mittlerweile anders, sie sagt, dass eine pauschale Absaugung nicht erfolgen soll, sondern nur in begründeten Fällen, wo der Verdacht besteht, dass der Atemweg verlegt ist und es deswegen zu einer respiratorischen Problematik kommt.

(…) Apgar-Werte von 8 bis 10 werden als Zeichen eines guten neonatalen Zustands bewertet, Werte von 5 bis 7 als beeinträchtigt, so dass meist Maßnahmen zur Unterstützung der postnatalen Adaptation notwendig werden (zum Beispiel Stimulation, Absaugen, Gabe von Sauerstoff). Werte von 0 bis 4 machen eine Reanimation nach den ERC-Guidelines erforderlich (…).

Quelle:


Wann tritt die Wirkung von Kortison ein, wenn es intravenös verabreicht wird?

Viele von Ihnen kennen den Klassiker „Kortison“ der gerne intravenös verwendet wird, bei Anaphylaktischen Reaktionen oder bei Obstruktionen der Atemwege. Die Frage ist hier jedoch, wie schnell wirkt das Kortison überhaupt und hilft es in einer akuten Notfallsituation sofort.

Pharmakokinetischen Eigenschaften:

„Nach der intravenösen Injektion von Prednisolon-21-hydrogensuccinat setzt die Esterspaltung sofort ein, so dass schon 5 Minuten nach der Injektion Plasmaspiegel des freien Prednisolons gemessen werden können (…).“

„Nach der intramuskulären Applikation von Prednisolon-21-hydrogensuccinat erfolgt die Resorption rasch und vollständig. Bei normalen Kreislaufverhältnissen ist sie oft schon nach 30 bis 60 Minuten beendet.“

„Die Serumeliminationshalbwertszeit beträgt beim erwachsenen Menschen zwischen 150 und 220 Minuten.“

Wirkeintritt:

Die Wirkung von äußerlich zugeführtem Cortison setzt erst 15 Minuten bis einige Tage nach der Einnahme ein.

Quellen:

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